Standespolitik
Wie können unsere Apotheken weiterentwickelt werden? Was können, was müssen wir tun, um die engmaschige Versorgung der Bevölkerung weiter zu verbessern? Wie werden wir den Wünschen unserer Kunden auch in Zukunft gerecht? Wie können wir das wirtschaftliche Überleben unserer Apotheken sichern? Dies sind zentrale Fragen, mit denen sich der ACT bereits seit vielen Jahren beschäftigt – mit Erfolg!
Brief an alle österreichischen Apotheken am 8.Februar 2019
Stellungnahme zur Änderung des Apothekengesetzes
Derzeit müssen Vorstandsmitglieder der Österr. Apothekerkammer über eine Änderung des Bedarfsprüfungssystems gm. ApG §10 mittels Umlaufbeschluss abstimmen.
Der vom Präsidium des Österreichischen Apothekerverbandes vorgelegte Änderungsvorschlag von 5.500 Hauptwohnsitzen (HWS) plus Einfluter auf 4.200 HWS ohne Einfluter wurde vom Verbandsvorstand mit denkbar knapper Mehrheit (27:26) angenommen.
Diese knappe Abstimmung hätte an einem anderen Tag unter anderen Umständen anders ausfallen können.
Seit mehreren Monaten wurde dieser Änderungsvorschlag, der in den Kern unseres Bedarfsprüfungssystems eingreift, heftig innerhalb des Verbandvorstandes diskutiert. Aufgrund der Unwägbarkeiten, die der Änderungsvorschlag bewirken könnte, sind sich die Verbandsvorstände und die Kammervorstände der Selbständigen uneins. Diese knappe Abstimmung hätte an einem anderen Tag unter anderen Umständen anders ausfallen können.
Das Verbandspräsidium behauptet, dass die derzeitige Bedarfsprüfung mit 5.500 HEWS (+ Einfluter) dem Änderungsvorschlag 4.200-Regelung äquivalent sein soll. Dazu die Überlegung:
Die aktuelle Anzahl der öffentlichen Apotheken in Deutschland beläuft sich auf 19.423 (Stichtag: 31.12.2018). Bezogen auf die deutsche Wohnbevölkerung (82,9 Mio.) ergibt dies 4.260 Einwohner pro Apotheke in Deutschland. D.h. in unserem Nachbarland mit Niederlassungsfreiheit kommen im Schnitt eine höhere Anzahl an zu versorgende Einwohner pro Apotheke als dies der Vorschlag des Verbandspräsidiums mit 4.200 Einwohnern für Österreich vorsieht.
Apotheken in Landregionen und in Randlagen von Ballungszentren sind die eigentlichen Verlierer
Viele Verbandsvorstände sind folgendem Argument gefolgt: "Für die Mehrheit der Apotheken hat die neue Regelung keine Auswirkungen, da in diesen Fällen die 500m-Regelung greift". Tatsächlich werden aber nur die innerstädtischen Apotheken von der 500m-Regelung „geschützt“. Apotheken in Landregionen und in Randlagen von Ballungszentren sind die eigentlichen Verlierer der 4.200 Regelung. Es haben demnach viele Verbandsvorstände wissentlich oder unwissentlich Rand- und Landapotheken "geopfert".
Dazu wurde offensichtlich übersehen, dass auch die 500m-Regelung zukünftig zur Diskussion stehen kann; spätestens dann, wenn die Liberalisierungsbefürworter erkennen, dass nicht die 4.200-Grenze, sondern die 500m-Grenze die eigentliche Marktzutrittsbarriere darstellt.
Insofern grenzt das Vorgehen des Verbandspräsidium an politische Naivität.
Es ist auch ein weiteres Argument der Befürworter mehr als fraglich, ob durch den Änderungsvorschlag die Dauer der Konzessionsverfahren zukünftig deutlich gesenkt werden wird können. Eine Umstellung auf die 4.200-Regelung beschleunigt vielleicht die Begutachtungszeit der Apothekerkammer. Weder die Entscheidung zum Instanzenzug der jeweiligen Parteien noch die Bearbeitungszeit der jeweiligen Instanzen wird dadurch jedoch direkt verkürzt.
Hohes Risiko für ungewollte Abänderungen des Apothekengesetzes wie etwa eine weitere Absenkung der Einwohnerzahl
Ein besonders hohes Risiko liegt außerdem im Gesetzwerdungsprozess. Ist einmal der Vorschlag zur Senkung der Einwohnerzahlgrenze in den politischen Prozess eingebracht, verläuft die Gesetzwerdung für unseren Stand unkontrollierbar. Damit besteht ein hohes Risiko für ungewollte Abänderungen des Apothekengesetzes wie etwa eine weitere Absenkung der Einwohnerzahl.
Zusammen gefasst existiert genau ein Argument, das eine vom Österreichischen Apothekerverband eingeleitete Abänderung des Bedarfsprüfungssystems rechtfertigen würde: „Die Politik lässt uns keine Wahl, entweder Lockerung der Marktzutrittsbarriere oder Niederlassungsfreiheit“.
Dieses Argument wurde seitens des Verbandspräsidiums mehrfach vorgebracht. Allerdings ist bis heute kein namhafter Spitzenpolitiker bekannt, der unserem Stand ein solches Ultimatum gestellt hätte.
Hinterfragenswert ist auch die Informationspolitik des Verbandspräsidiums. Nach Aussage mehrerer Vorstandsmitglieder informierte der Verbandspräsident in der Verbandsvorstandsitzung vergangenen Oktober sinngemäß, dass er bei knapper Mehrheit im Vorstand die 4.200-Regelung nicht weiterverfolgen würde, denn bei diesem wichtigen Thema sei ein uneiniger Vorstand kein eindeutiges Signal an die Verbandsmitglieder. Das Abstimmungsergebnis bei der Verbandsvorstandssitzung am 29.1.2019 fiel mit 27:26 denkbar knapp aus. Dennoch brachte das Präsidium die 4.200-Regelung als Änderung zur Apothekengesetznovelle im Ministerium ein und schickte den stellvertretenden Verbandsdirektor noch am selben Tag mit der Beschlussfassung ins Ministerium, ohne den Kammervorstandsbeschluss zu diesem Thema abzuwarten.
Fazit: Trotz intensiver Diskussion und unausgewogener Informationspolitik des Verbandspräsidiums kam es im Vorstand der Selbständigen zu keiner klaren Meinungsbildung bzgl. Vor- und Nachteile einer Umstellung des Bedarfprüfungssystems gm. ApG §10 auf 4.200 Hauptwohnsitze, wie vom Verbandspräsidium vorgeschlagen und die Risiken überwiegen bei weitem den prognostizierten Nutzen.
reaktionen
Antworten aus dem Kollegenkreis
„Danke für die Informationen“
Dr. Gerda Rieger, Apotheke Werndorf
„Vielen Dank für die Information. Von unserer Standesvertretung erfahren wir ja schon länger nichts mehr.“
Mag. Isabel Scharzenberger, Apotheke Gröbming
„Ich schließe mich hiermit der Argumentation der Tiroler Kollegen an“
Mag. Helmut Höhr, Apotheke Obervellach
„Vielen Dank für die erschütternde Information. Bitte um weitere Informationen“
Mag. Stefan Mayr, Kreuz Apotheke Leonding